Agil oder klassisch? Wie Sie Ihre Entscheidungen besser fundieren können

            Agil oder klassisch? Wie Sie Ihre Entscheidungen besser fundieren können

            Wenn es um die Suche nach der am besten passende Methode für das eigene Unternehmen geht, stellen sich eine Reihe von Fragen, etwa: „Welche der Alternativen „agil“ oder „klassisch“ hilft uns am besten, den Erfolg des Unternehmens zu steigern?“ „Gibt es die per se bessere Methode für uns?“ „Kann man klassische und agile Methoden mischen und wenn ja, wie?

            Die Antworten sind nicht immer leicht und verlangen die differenzierte Betrachtung der Möglichkeiten. Somit ist es nachvollziehbar, wenn Manager die schnelle Abbiegung nehmen, sobald sie sich auf Antwortsuche machen. Die folgenden Wege sollen helfen, Entscheidern bei der Suche nach Lösungen gleichfalls schneller und fundierter vorzugehen.

             

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            Zwei Wege, die bei der Entscheidungsfindung helfen:

            1. Stellen Sie den direkten Bezug der Stärken und Schwächen von Vorgehensmodellen  zu den Anforderungen Ihres Geschäfts her. Leiten Sie daraus Nutzen und Grenzen der Modelle bei der Anwendung in Ihrer Organisation ab.

             

            2. Wählen Sie aus den bekannten Erfolgskriterien die für Ihr Geschäft relevanten aus und beurteilen Sie die zur Verfügung stehenden Vorgehensmodelle.

             

            Stärken und Schwächen der Methoden: Schauen Sie sich das Setting an

            Einen guten Einstieg zur Orientierung bietet die Anwendung der Stacey-Matrix. Damit lassen sich  grundlegende Hinweise zur Auswahlentscheidung zwischen „agilem“ und „klassischen“ Projektmanagement ableiten.

             

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            Wenn Sie etwa den Schwerpunkt Ihres Geschäfts eher in den Bereichen „Simpel“ oder „kompliziert“ verorten,  ist das klassische Projektmanagement geradezu prädestieniert, um solche Aufgaben zu lösen. Agiles Projektmanagement ist nicht erforderlich. Projekte mit der Verortung im Bereich „simpel“ können z.B. umfangreiche Reparaturen an Großanlagen des Kunden, oder die Erweiterung einer Werkshalle um Reinräume sein. Technisch und organisatorisch sind solche Projekte durchaus herausfordernd. Aber ein einfaches Wasserfallmodell mit wenigen Phasenschritten kann hier seine Stärke der sequentiellen Arbeitsweise vollumfänglich ausspielen. Als „kompliziert“ erweisen sich viele Projekte im Maschinen- und Anlagenbau oder bei kommunalen Hoch- und Tiefbauprojekten. Denn eine Fülle von Einflussfaktoren wie spezifische Kundenanforderungen, Engpässe bei Zulieferungen oder die Notwendigkeit der schnittstellenübergreifenden Zusammenarbeit in der Organisation stellen erhöhte Anforderungen. Hier ist das klassische Projektmanagement das Vorgehensmodell der Wahl. Der „Wasserfall“ läuft über mehrere Phasen. Das sequentielle Durchlaufen der Phasen muss ggf. situativ durch Iterationsschleifen ergänzt werden, etwa wenn Unsicherheiten ein mehrfaches Durchlaufen einer Phase nahelegen..

            Je mehr Komplexität das Geschäfts Merkmal aufweist, desto attraktiver wird das agile Vorgehensmodell. Der hohe Grad an Unsicherheit und die geringe Klarheit über Projekt(teil-)ergebnisse, erfordern die kontinuierliche Anwendung von  Iterationsschleifen, und zwar in schneller Abfolge. Schnelles Lernen in Retrospektiven (wie es z.B. Scrum bietet) und Trial und Error-Verfahren werden zunehmend „normaler“ und verlieren den Charakter der Ausnahme. Das ursprüngliche Einsatzgebiet agiler Methoden waren und sind auch heute Projekte der Softwareentwicklung. Auch Projekte außerhalb der ursprünglichen Anwendung können vergleichbare Anforderungen mit Blick auf Unsicherheit und Unklarheit aufweisen. Diese Merkmale zeigen beispielsweises Innovationsprojekte, die eine enge Zusammenarbeit mit Kunden verlangen. Oder interne Forschungsprojekte, die unter dem Zeitdruck einer anspruchsvollen „Time to Market“-Strategie stehen. In chaotischen Situationen greift selbst die Befolgung der stringenten Strukturelemente von Scrum zu kurz. Einzelne Verfahren aus allen Welten sind in virtuos orchestrierter Form einzusetzen. Beispiel: Projekte wie die Impfstoffentwicklung - und Bereitstellung in der dynamischen Situation einer Pandemie. Hier gehören trial and error zum Repertoire eines hochflexiblen Managements. Hilfreich ist dabei der ständige Wechsel von divergentem Kreativdenken und konvergentem Entscheidungshandeln des Design Thinking. Mit dem aufgezeigten Vorgehen grenzen Sie Ihr Handeln deutlich ab von einer holzschnittartigen schwarz-weiß-Sicht; etwa „Agil ist Alles, alles andere ist Nichts“. Organisationsberater verkaufen gern DIE Methode, die sie im Repertoire haben und nicht die Methode, die zu IHRER Organisation am besten passt.

             

            Nutzen und Grenzen ausleuchten: Am Beispiel „konsequente Kundenorientierung“

            Es liegt auf der Hand, dass jedes Modell und jede Methode vor der Auswahl sorgfältig auf die spezifischen Bedingungen für den Einsatz  der Organisation hin zu prüfen sind. Damit eine Methode wirklich passt und ihr Nutzenversprechen erfüllen kann, sind  zwingend Voraussetzungen wie z.B. der Kenntnisstand der Mitarbeiter, die Erfahrungen mit bereits im Einsatz befindlichen Methoden und der Organisationskultur zu evaluieren. Anders gewendet: Schauen Sie das Nutzenversprechen der Modelle an und machen Sie sich ein gutes Bild davon, inwiefern die von Ihnen favorisierte Methode den versprochenen Nutzen in Ihrer Organisation wirklich auch entfalten kann. Die konkrete Situation der Entscheidungsfindung lässt sich gut an dem großen Nutzenversprechen von agilen Methoden verdeutlichen, der konsequenten Kundenorientierung. Dieses Versprechen spricht nach vorherrschender Auffassung deutlich für das agile Vorgehen. Denn dadurch, dass ein eindeutiges und klar spezifiziertes Projektziel nicht existiert, kann das spätere Projektergebnis stark von den ursprünglich beabsichtigten Ergebnisvorstellungen des Kunden abweichen. Um sicher zu stellen, dass Abweichungen im Sinne des Kunden sind, muss die Vision des Kunden jederzeit präsent sein, das Projektteam die Vision verinnerlichen und der Kunde idealerweise als Teil des Teams in die laufende Arbeit sehr stark eingebunden sein.

            So weit, so gut und auch bekannt. Allerdings:

            Der Kunde muss bereit sein, sich tief in den Prozess zu integrieren, d.h. er muss sowohl Motivation als auch Ressourcen aufbringen, damit iterative Ergebnisfindung funktioniert. Wenn Projektteams z.B. in der Softwareentwicklung mit internen Kunden zusammenarbeiten, kann die Unternehmensführung Einfluss auf die User nehmen und dafür sorgen, dass der benötigte Grad der Bereitschaft der eigenen Mitarbeiter stimmt.

             

            Mögliche Grenzen agilen Vorgehens am Beispiel „Bereitschaft des Kundens“ 

            Wird in der Zusammenarbeit die Mitwirkung des externen Kunden gebraucht, ist der Einfluss auf die Bereitschaft des Kunden einzuwirken, naturgemäß begrenzt. Das Risiko, dass der Kunde der „Trägheit der Masse“ erliegt, anstatt aktiv mitzuwirken, ist immer gegeben.  Dass er das Ergebnis sogar ablehnt, ist selbst bei agilem Projektmanagement nicht auszuschließen. Es ist durchaus zu beobachten und aus Sicht des Kunden auch legitim, dass dieser die Haltung einnimmt: „Ich bin der Auftraggeber, Ihr seid der Projektauftragnehmer und müsst dafür sorgen, dass Ihr das, was ich will, liefern könnt“. Wenn Sie ein solches im Projektgeschäft weitverbreitetes Setting vorfinden, liegt es auf der Hand: Mit klassischem Projektmanagement machen Sie Ihren Kunden zufriedener, mit agilem Vorgehen vergraulen Sie ihn. So wie im Beispiel „konsequente Kundenorientierung“ können Sie weitere Vor- und Nachteile, durch deklinieren, z.B. das Nutzenversprechen der höheren Flexibilität, oder der besseren Qualität und ihrer schnelleren Erfüllung.

             

            Machen Sie den Lackmus-Test!

            Sehen sie es als Pflichtübung an, wohlklingende Argumente auf ihre Tragfähigkeit im Einzelfall zu prüfen. Beispiel klassisches Projektmanagement: Das Nutzenversprechen lautet, den Trade-Off zwischen den Zielen Qualität, Zeiten und Budgeteinhaltung professionell zu meistern. Aber: Dem stehen Realitäten wie gerissene Timelines und Budgetsprengung gegenüber. Im agilen Setting sind die Aufwände zu Beginn nicht oder nur unzureichend abschätzbar.  Die Kosten können im Rahmen bleiben. Sie können aber auch exorbitant höher sein, als bei klassischem Vorgehen. Denn wenn die Kosten in der Planung nicht fokussiert werden, weiß es halt niemand so genau, was am Ende rauskommt.

             

            Entscheidungen auf der Basis von Kriterien zur Auswahl des geeigneten Ansatzes

            Um die passende Projektmanagementmethode auszuwählen, können hinreichend bekannte Erfolgsfaktoren des  Projektmanagements herangezogen werden. Auf dieser Basis lässt sich einschätzen, wodurch ein Projekt erfolgreich ist und woran Projekte zu scheitern drohen.  Mit diesem Wissen können Sie Entscheidungskriterien formulieren,  die Ihnen folgende Möglichkeiten bieten:

            • Sie können diskretionäre Investitionsentscheidungen treffen. Beispiel: Wollen Sie Ihr klassisches Projektmanagement mit agilen Methoden anreichern oder lieber in die weitere Professionalisierung Ihres klassischen Projektmanagements investieren? Anhand der Kriterien können Sie auch die Voraussetzungen identifizieren, die zu schaffen sind, damit Ihnen die Methode ihr volles Leistungspotential abliefert. Erfolgsfaktoren lassen sich durch Befragung Ihrer erfahrenen Projektmanager herausdestillieren. Auch Studien, wie sie z.B. das BPM-Labor (Business Process Management) der Hochschule Koblenz zu Erfolgsfaktoren durchführt, können als Grundlage herangezogen werden. Sehen Sie das Vorgehen am Beispiel einer Auswahl von drei Kriterien:

             

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            Fazit

            Alle Varianten des Projektmanagements haben das Potential, dem Unternehmen signifikante Effizienzgewinne zu liefern. ALLERDINGS: Die Wahl des „richtigen“ Vorgehensmodells ist entscheidend. „Richtig“ in dem Sinn, dass es sowohl zu Ihrem Geschäft als auch zur Organisation Ihres Unternehmens passt. Klassische und agile Vorgehensmodelle entfalten ihr Potential in Ihrer Organisation dann, wenn Sie dafür sorgen, dass die Bedingungen für den Einsatz stimmen. Auch die Mischung aus beiden Welten kann für Sie gewinnbringend sein. Mit Schwarz-Weiß-Malerei im Sinne Modell „B“ ist New School, Modell „A“ ist „Old School“ mögen manche Manager Eindruck schinden. Machen Sie Ihre Entscheidung davon unabhängig. Scheuen Sie sich nicht, deren die Nutzenversprechen auf Herz und Nieren zu testen. Am besten im und mit Ihrem Team, unter Ausschluss der Kollegen „Mythen, Trends und Hypes“.

             

             

            Quellen:

            Angermeier, Georg: Traditionelles Projektmanagement. https://www.pro-jektmagazin.de/glossarterm/traditionelles-projektmanagement

            Gloger, Boris; Margetich, Jürgen: Das Scrum-Prinzip. Agile Organisationen aufbauen und gestalten. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 2018.

            Komus, Ayelt; Heupel, Thomas:  GPM, Erfolgsfaktoren im Projektmanagement - eine evidenzbasierte Studie Hochschule Koblenz, 2015.

            Müller, Christian: Unterschied zwischen klassischen und agilen Projekten https://proagile.de/unterschied-klassisch-agil/

            M. Institute: What is Project Management? https://www.pmi.org/about/learn-about-pmi/what-is-project-management

            Preussig, Jörg: Agiles Projektmanagement, Haufe) 2. Auflage 2020

            Ruland, Björn; Guillium, Lars: (HENDRIKS AGILE WERKZEUGE, 2020): HENDRIKS AGILE WERKZEUGE: Pocket-Guide zu agilen Werkzeugen und Begriffen, Darmstadt: 4craft GmbH, 2020

            Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: Der Scrum Guide, 2020.

             

             

            Photo by Mathias Reding on Pexels 

             

             

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