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Change Fatigue – Praxistipps die Veränderungsmüdigkeit zu überwinden

Geschrieben von Ingo Kallenbach | 15.11.2022

Unter normalen Umständen können wir mit einem gewissen Maß an Veränderungen gut umgehen – auch wenn diese als störend oder schwerwiegend erlebt werden. Diese Fähigkeit verdanken wir der Tatsache, dass wir mit etwas ausgestattet sind, das in der englischsprachigen Literatur als „Surge Capacity“ bezeichnet wird (Haelle, 2020).

 

 

Darunter versteht man eine Sammlung geistiger und körperlicher adaptiver Systeme, auf die Menschen zurückgreifen, um in akuten Stresssituationen (wie z. B. Naturkatastrophen) kurzfristig zu überleben.

Normalerweise wird diese Kapazität für kurzfristige Bedarfe in Anspruch genommen. Die seit 2020 andauernde Pandemie hat jedoch eine langfristige Unsicherheit geschaffen und wirkt sich auf viele Aspekte unseres Privat- und Arbeitslebens aus. Daran sind wir in diesem Ausmaß nicht gewöhnt.

Diese Tatsache hat dazu geführt, dass unsere Kapazitäten im Umgang mit Ungewissheit und Veränderung zu Beginn von COVID-19 schnell aufgebraucht waren und wir diese auf die Schnelle nicht wieder auffüllen konnten.

Die Folgen werden nun im Arbeitsleben spürbar. Laut einer Studie von Gartner war die Fähigkeit der Mitarbeitenden zum erfolgreichen Umgang mit Veränderungen im Oktober 2020 um 50 Prozent geringer als vor der Pandemie.

Eine weitere Erkenntnis ist dabei wichtig: „Kleinere“ Veränderungen beanspruchen mehr Kapazität, so dass es schwerer fällt, mit diesen umzugehen. Beispiel: Eine Mitarbeiterin muss in ein neues Team wechseln. Diese Änderung wirkt sich natürlich stark auf den Berufsalltag der Mitarbeiterin aus und wird 2,5-mal stärker belastend empfunden als größere, strukturellere Veränderungen wie beispielsweise eine Fusion oder Übernahme. Ich persönlich war überrascht ob dieser hohen Zahl.

 

Was lernen wir daraus für das Arbeitsleben?

Wir glauben nicht, dass die Pandemie noch so weitreichende Folgen für unsere Veränderungsfähigkeit hat, wie es im Jahr 2020 der Fall war.

Fest steht aber auch: In der aktuellen Zeit durchlaufen die meisten Unternehmen eine Vielzahl an Veränderungen, s. unseren letzten Blogbeitrag von Matthias Tholen. Und dass sich Unternehmen ohnehin stetig verändern müssen, steht außer Frage. Entwicklung und Fortschritt sind gut, zu viele – auch kleinere – Veränderungen können schnell ermüdend wirken. Hier kommt die Change Fatigue (deutsch: „Veränderungsmüdigkeit“) zum Tragen.

Change Fatigue meint das allgemeine Gefühl der Resignation unter den Mitarbeitenden. Die Belegschaft steht organisatorischen Veränderungen lustlos und frustriert gegenüber. „Veränderungs-Overkill“. Dieser entsteht vor allem dann, wenn eine Organisation unter dem Druck steht, sich immer weiter verändern zu wollen, dabei jedoch die Belange der Menschen im Unternehmen nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Tatsache, dass unsere Kapazitäten im Umgang mit Veränderungen durch die Pandemie „vorbelastet“ sind, fördert das Auftreten von Ermüdungserscheinungen im Zusammenhang mit organisatorischen Veränderungen.

Sie erkennen Change Fatigue an folgenden Anzeichen:

 

Häufigere und lautere Beschwerden über Veränderungen

Wachsende Gleichgültigkeit gegenüber Veränderungen, wobei sich einige Kolleg*innen völlig zurückziehen und/oder aufhören, Fragen zu stellen

Mitarbeitende sind sichtlich müde

Kolleg*innen sind gestresst und scheinen besorgt über Veränderungen zu sein

Widerstand gegenüber Veränderungen

Negative, sarkastische oder gar zynische Äußerungen in Bezug auf anstehende Änderungen

Skepsis – Einzelne zweifeln am Erfolg der Veränderung

 

Wenn Sie Veränderungsmüdigkeit bemerken, wie können Sie als Führungskraft dann verhindern, dass diese erfolgreichen Wandel verhindert?

Starten wir mit einem Gedankenexperiment. Denken Sie an Ihr Team: Wie gehen Ihre Kolleginnen und Kollegen mit Veränderungen um? Sicherlich haben Sie Mitarbeitende im Kopf, denen Sie einen guten Umgang mit Veränderungen zuschreiben und solche, die sich aus Ihrer Sicht eher schwertun. Was unterscheidet Mitarbeitende mit einer hohen Veränderungsfähigkeit von Mitarbeitenden mit geringer Veränderungsfähigkeit?

Es gibt zwei Schlüsselfaktoren, die beim Umgang mit Veränderungen eine große Rolle spielen.


 

  1. Vertrauen

Vertrauen bedeutet in diesem Fall, dass der oder die Mitarbeitende daran glaubt, dass die Verantwortlichen…

  • ...die Interessen der Mitarbeitenden wertschätzen und berücksichtigen,
  • ...überlegen, welche Auswirkungen Veränderungen haben werden sowie
  • ...ihre Perspektive offen kommunizieren und halten, was sie versprechen.

Menschen mit einem hohen Ausmaß an Vertrauen, können mit Veränderungen signifikant besser umgehen als Menschen mit wenig Vertrauen.

Zurück zu Ihrem Team: Wie hoch schätzen Sie das Vertrauen Ihrer Mitarbeitenden ein?

Hier noch ein paar Empfehlungen, die dabei helfen können, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und damit auch zu einer guten Veränderungskultur beizutragen:

Kommunizieren Sie viel und schaffen Sie Transparenz. Stellen Sie sicher, dass Sie Informationen zuerst selbst verstehen, bevor Sie diese an Ihr Team weitergeben.

Machen Sie sich klar, wie sich Veränderungen auf jedes einzelne Ihrer Teammitglieder auswirken.

Sie selbst finden sicher auch nicht jede Veränderung einfach: Teilen Sie Ihre Gedanken mit Ihrem Team. Das hilft auch anderen, sich zu öffnen und Bedenken anzusprechen.

 

  1. Teamzusammenhalt

Teamzusammenhalt beschreibt, in welchem Ausmaß sich die Mitglieder eines Teams einander zugehörig und verbunden fühlen sowie die Verantwortung für die Erreichung eines gemeinsamen Ziels teilen. Wenn Mitarbeitende das Gefühl eines guten Teamzusammenhalts haben, steigert dies die Fähigkeit, gut mit Veränderungen umgehen zu können.

Um einen hohen Teamzusammenhalt sicherzustellen ist es wichtig, dass Sie sich in regelmäßigen Abständen das gemeinsame Ziel vor Augen führen, Verhaltenserwartungen festlegen und klare Rollen und Verantwortlichkeiten definieren.

 

 

 

Diese 4 Praxistipps helfen Ihnen dabei, Change Fatigue entgegenzuwirken

 

Machen Sie eine Pause und schaffen Sie Raum für die Sorgen, die möglicherweise mit einer Veränderung verbunden sind.

Die Konfrontation mit plötzlichen oder nicht selbst gewählten Veränderungen führt oft dazu, dass wir in einen „Aktionsmodus“ springen. Ein Beispiel: Aufgrund der Energiekrise beschließt ein Unternehmen, mehrere Bürobereiche zusammenzulegen, sodass während des Winters nicht alle Gebäudeteile beheizt werden müssen. Sie als Führungskraft verspüren den Impuls, Ihr Team zeitnah über alle Details (Raumpläne, Zeitschiene, etc.) zu informieren und leiten eine Flut von E-Mails weiter.

Informieren ist gut, ABER: Nehmen Sie sich lieber beim nächsten Meeting bewusst Zeit, damit Bedenken geäußert und Fragen gestellt werden können. Wenn Sie nur E-Mails weiterleiten, erzeugen Sie damit bei Ihrem Team viel wahrscheinlicher eine Abwehrreaktion („Schon wieder irgendwelche Infos zu einem Umzug, wir haben doch gerade erst unseren Bereich neu eingerichtet“ oder „Ich lese es mir gar nicht erst durch, das ist jetzt die fünfte Mail aus der letzten Woche mit irgendwelchen Plänen.“).

Denken Sie daran: In der Studie von Gartner (2020) wurden kleinere persönliche Veränderungen – wie beispielsweise der Wechsel in ein neues Team oder der Umzug in einen neuen Bereich – 2,5x ermüdender wahrgenommen als größere, transformative Veränderungen.

 

Vergegenwärtigen Sie sich immer wieder: „Ich lerne kontinuierlich.“

Ihr Team erfolgreich durch Veränderungen begleiten zu können, erfordert von Ihnen eine zentrale Fähigkeit: Sie müssen lernen, mit Ungewissheit umzugehen und akzeptieren, dass Sie noch nicht alle Antworten kennen. Das fällt schwer – besonders wenn Sie jemand sind, der gerne die Kontrolle über Dinge hat. Je besser Sie verinnerlichen, dass Sie nicht alles wissen können/müssen, sondern viele Dinge – gemeinsam mit Ihrem Team – herausfinden und lernen, desto einfacher fällt der gemeinsame Veränderungsprozess.

 

Machen Sie einen Plan, von dem Sie abweichen werden.

Es ist leicht und schön einen Plan im Kopf zu haben, an dem wir uns orientieren können.

Nehmen wir an, Sie werden mit einer bekannten Herausforderung konfrontiert (z. B. das Ausfüllen eines Quartalsberichts). Dann denken Sie: „So habe ich es das letzte Mal gemacht. So mache ich es wieder.“

Unser Gehirn ist darauf programmiert, Muster zu erkennen. Wenn wir mit der Ungewissheit von Veränderungen konfrontiert sind, wird dieser Mechanismus unterbrochen – deshalb erleben wir Veränderungen als anstrengend.

Zu Beginn einer Veränderung können wir nie mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was auf uns zukommt. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, mit Ihrem Team Pläne zu schmieden: Der Schlüssel liegt darin, Pläne zu machen, diese aber nicht als in Stein gemeißelt zu betrachten. Sondern als eine Bestätigung dafür, dass Sie als Team bereit sind, sich dem zu stellen, was in Zukunft kommt.

Wenn es Ihnen gelingt, eine flexible Denkweise bei der Planung zu etablieren, hilft das Ihrem Team, weniger frustriert zu sein, wenn sich Dinge zwangsläufig ändern. Die Reise auf dem Weg zum Ziel wird dann mehr und mehr zu einer wertvollen Lernerfahrung für alle Mitwirkenden.

 

Investieren Sie in Rituale.

Es gilt als erwiesen, dass Rituale und Gewohnheiten uns dabei helfen, Stress in Zeiten von Unsicherheit und Ungewissheit zu reduzieren. Dabei kommt es nicht darauf an, um welches Ritual es sich handelt. Es geht einfach darum, das Gleiche zur gleichen Zeit zu tun (Duffy & Fosslien, 2022).

Fragen Sie sich deshalb gemeinsam mit Ihrem Team: Wie können wir Rituale in unseren Arbeitsalltag integrieren? Was inspiriert uns? Es spielt keine Rolle, was Sie tun – solange alle mitmachen und es um eine Sache geht, die für das Team wichtig ist. Beispielsweise könnte es einem Team besonders wichtig sein, einen gemeinsamen Energie- oder Kreativitätsschub zu erleben und ein anderes Team möchte lieber den Zusammenhalt stärken.

Sie glauben nicht, dass Rituale wirklich dabei helfen, Unsicherheit zu reduzieren und damit den positiven Umgang mit Veränderungen fördern? Das macht nichts. Studien haben gezeigt, dass es auch dann funktioniert, wenn Menschen nicht daran glauben! ; )

 

Und nun zum Schluss

Wir erleben in der Praxis häufig, dass Mitarbeitende dazu aufgefordert werden, die eigene Belastbarkeit und Resilienz zu steigern, um gut für Veränderungen gewappnet zu sein. Damit wird die Verantwortung schlicht auf die individuelle Person „abgewälzt“. Das ist ein Fehler, denn: Change Fatigue ist kein individuelles Problem, sondern ein kollektives, das gemeinsam auf Team- oder Organisationsebene angegangen werden muss.

 

Quellen

Duffy, M. W. & Fosslien, L. (2022). Managers, What Are You Doing About Change Exhaustion? https://hbr.org/2022/05/managers-what-are-you-doing-about-change-exhaustion

Haelle, T. (2020). Your ‘Surge Capacity’ Is Depleted — It’s Why You Feel Awful. https://elemental.medium.com/your-surge-capacity-is-depleted-it-s-why-you-feel-awful-de285d542f4c

https://www.atlassian.com/blog/leadership/change-fatigue

https://www.beautypunk.com/change-fatigue-muede-von-zu-viel-veraenderungen/

https://www.gartner.com/smarterwithgartner/how-to-reduce-the-risk-of-employee-change-fatigue

https://www.prosci.com/blog/how-to-recognize-change-fatigue-in-your-people

Bild:Sam Williams on Pixabay.com

 

Um Verantwortung nicht einfach auf die individuelle Person „abzuwälzen“ - Machen Sie eine Pause und schaffen Sie Raum für die Sorgen, die möglicherweise mit einer Veränderung verbunden sindWir unterstützen Sie gerne dabeiFür professionelle Unterstützung und eine fokussierte, strategische Personalentwicklung  Wir begleiten Sie auf dem Weg zu neuen Ufern und freuen uns auf den Austausch mit Ihnen! 

 

 

 

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