Kultur in der Kranken Organisation (4/7)
Der vierte Teil unserer Serie zur Kranken und Kränkelnden Organisation widmet sich der ...
Der fünfte Teil unserer Serie zur Kranken und Kränkelnden Organisation widmet sich dem Herzen eines jeden Unternehmens: den Mitarbeitern. Wie im persönlichen Leben auch nicht jede/r ausreichend auf Herz und Nieren achtet, sieht es in vielen Organisationen gleichermaßen aus: Dauerstress, eine stetige Überlastung und Überforderung von Mitarbeitern, die nicht selten zum „Burn-out“ führt. Oder es regieren Bürokratie und Trägheit mit gelangweilten und kraftlosen Menschen. Mitarbeiter bekommen keine Chance, ihre Potenziale auszuschöpfen, im schlimmsten Fall erkranken sie an „Bore-out“. In dieser Notiz beschäftigen wir uns näher mit den Ursachen und Symptomen von gestressten und gelangweilten Mitarbeitern und ziehen Praxisbeispiele heran, um konkrete Fälle näher zu beleuchten.
Bereits in den Notizen der letzten Monate haben wir die Kranke und die Kränkelnde Organisation näher kennengelernt und dabei aufgezeigt, dass Kränkelnde Organisationen zwischen zwei Extremen schwanken: Ihre Strategien sind eher verschwenderisch oder ausbeutend, die Beziehungen eher unterwürfig oder überheblich und die Organisationskultur eher altruistisch oder egozentrisch. Dementsprechend bewegen sich auch Mitarbeiter solcher Unternehmen eher in Richtung Langeweile oder in Richtung Dauerstress. Damit stehen die Kranke Organisation und die Kränkelnde Organisation im direkten Gegensatz zum Idealbild eines balancierten Unternehmens, einer wirklich Gesunden Organisation.
Abbildung 1: Die Kranke Organisation
Sowohl gelangweilte als auch gestresste Mitarbeiter sind weniger leistungsfähig und produktiv. Diese Feststellung ist nicht neu: Bereits 1908 formulierten Robert Yerkes und John D. Dodson das sogenannte Yerkes-Dodson-Gesetz, welches die kognitive Leistungsfähigkeit in Relation zu Erregungsniveaus setzte. Hierbei zeigte sich, dass die Produktivität am höchsten ist, wenn sich ein Individuum auf einem mittleren Erregungsniveau befindet (Yerkes & Dodson, 1908) – der Stress also eine „goldene Mitte“ erreicht. Diese Erkenntnis lässt sich sehr gut mit der klassischen Aufteilung von Stress in positiven („Eustress“) und negativen („Distress“)in Verbindung bringen, welche erstmals 1956 von dem Stressforscher Hans Selye vorgenommen wurde (Selye, 1956). Dieser erforschte verschiedene Stressoren und stellte fest, dass eine hohe Motivation und Glücksmomente zu positivem Eustress führen, der die psychische und physische Leistungsfähigkeit erhöht. Im Gegensatz dazu stehen negative Reize wie Überforderung, Bedrohung oder ein destruktiver Arbeitskontext, die in Distress münden können. Distress vermindert die menschliche Leistungsfähigkeit und kann „Burn-outs“ verursachen. In Abbildung 2 wird dieser Zusammenhang grafisch dargestellt.
Abbildung 2: Auswirkungen des Stresslevels auf die menschliche Leistungsfähigkeit (eigene Darstellung in Anlehnung an Yerkes & Dobson, 1908)
Dabei wird deutlich, dass Verantwortliche sowohl in ihrer Selbst- wie auch in ihrer Mitarbeiterführung auf ein balanciertes Stressniveau abzielen und Eustress aktiv fördern, Distress hingegen proaktiv verhindern sollten. Sind Mitarbeiter dauerhaft unter- oder überfordert, schadet dies ihnen selbst (psychisch und physisch), der Zusammenarbeit im Team (negative Auswirkungen von Stress oder Langeweile auf Beziehungen) und auch der Gesamtunternehmensleistung.
Am Beispiel des Formel 1-Rennstalls Ferrari zeigt sich, welche Folgen Stress auf Mitarbeiter und Organisation nimmt. Ein Ex-Ingenieur verriet kürzlich, dass die Mitarbeiter des Rennstalls unter einem „Terror-Klima“ leiden, in welchem sie stets Strafen des Managements befürchten müssen. Die Folgen: Die Ingenieure arbeiten nicht mehr konstruktiv zusammen, entwickeln keine neuen Ideen und es fehlt der Mut zu innovativen Lösungen (n-tv, 2016). Und natürlich: Ferrari gewinnt keine Rennen mehr. So verliert der Rennstall und damit die Marke des Traditionsunternehmens kontinuierlich an Ansehen.
Verausgaben sich Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum ohne entsprechende Belohnungen - sei es durch Wertschätzung, Beförderung, Gehalt oder entsprechende Ausgleiche, um die innere Balance zu finden - riskieren sie einen „Burn-out“. Laut Maslach und Jackson (1981) setzt sich ein „Burn-out“ aus emotionaler Erschöpfung, Depersonalisation bzw. sozialer Abstumpfung und Unzufriedenheit mit der eigenen Person, gepaart mit Versagensängsten zusammen.
Das Prinzip des individuellen „Burn-outs“ kann man auch auf ganze Organisationen übertragen, die im heutigen volatilen Marktumfeld in die sogenannte Beschleunigungsfalle geraten. Bruch und Menges (2010) beschreiben drei Formen von destruktiven Unternehmensaktivitäten, die zu einem kollektiven Burn-out führen können:
In der Theorie klingt das ganz einfach: Distress reduzieren, Eustress fördern. Folgende Hinweise können Ihnen dabei helfen:
Der unpopuläre kleine Bruder des „Burn-outs“ ist der „Bore-out“. Interessanterweise genießt „Bore-out“ deutlich weniger Rampenlicht als der „Burn-out“, obwohl er ähnliche Symptome verursacht, wie bspw. Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Depressionen. Auch in solchen Fällen sind sinkende Mitarbeiterzufriedenheit, -motivation, -produktivität und Arbeitsqualität die unausweichlichen Folgen.
Einen „Bore-out“ erleiden gelangweilte Mitarbeiter, die aufgrund fehlender adäquater Herausforderungen (Qualität, Quantität, Breite, Tiefe des Fokus) oder mono-repetitiver Arbeiten ihr Potenzial nicht abrufen und ihre eigentliche Leistungsfähigkeit nicht in Leistung umsetzen können. Diesem „Unterstress“ können Sie proaktiv entgegenwirken. Sie können Mitarbeitern verantwortungsvolle Aufgaben übertragen, ihnen Selbstorganisation und -management erlauben, sie aber auch aktiv unterstützen und zur Seite stehen. So können Mitarbeiter Herausforderungen annehmen, an diesen wachsen und Eustress erleben – ganz im Sinne von Potenzialentfaltung und „Empowerment“.
Im Prinzip erscheint der „Bore-out“ fast schlimmer als der Burn-out, schließlich will der Mitarbeiter im Großteil der Fälle etwas leisten und aktiv mitarbeiten, doch er/sie wird vom Unternehmen und dessen Kontext – meist unbewusst - daran gehindert.
Auf jeden Fall nicht, in dem Sie Ihre Mitarbeiter Dauerstress aussetzen, um diese „aufzuwecken“. Vielleicht helfen Ihnen folgende Hinweise:
Fazit: Stress ist nicht per se negativ. Unterscheiden Sie zwischen Eu- und Distress und erkennen Sie deren Symptome. Dauerhafte Unter- oder Überforderung schadet nicht nur dem Individuum, sondern auch Ihrem Team und der Gesamtorganisation. Als Verantwortliche/r sollten Sie daher die „goldene Mitte“ finden, also ein optimales Stressniveau. Entscheidend ist, nicht allein objektive Leistung als Indikator für den Erfolg Ihres Teams und Ihres Unternehmens zu verstehen, sondern die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern kontinuierlich zu überprüfen und deren Gesundheit konsequent als Prio 1 anzusehen. Denn möchten Sie nachhaltigen und langfristigen Erfolg, müssen die Menschen in Ihrer Organisation jederzeit leistungsfähig sein. Auf Dauer können Sie sich „Burn- und Bore-out“ weder moralisch noch finanziell leisten.
Alle Beiträge zum Konzept der „Kranken Organisation“ auf einen Blick:
Wie krank ist Ihre Strategie? (2/7)
Wie krank sind Ihre Beziehungen (3/7)
Kultur in der Kranken Organisation (4/7)
Zwischen Langeweile und Überforderung – Mitarbeitende in Kranken Organisationen (5/7)
Zwischen starr und chaotisch - Strukturen in Kranken Organisationen (6/7)
Alles andere als agil - Prozesse in Kranken Organisationen (7/7)
Und das Konzept der „Gesunden Organisation“ bzw. die Perspektive „Führen in der Gesunden Organisation“ finden Sie hier beschrieben:
Das Konzept: Die Gesunde Organisation
Führen in der Gesunden Organisation
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