Glückliche Mitarbeiter - was soll das bringen?

            Glückliche Mitarbeiter - was soll das bringen?

            Bereits in 2012 erschien eine Ausgabe des Harvard Business Manager zu dem Schwerpunktthema „Glücklich im Job – So werden Sie zufriedener und dadurch erfolgreicher“. Auf über 30 Seiten beschäftigt sich das Magazin mit vielen Fragen rund um das Thema Glück und was es im Unternehmen zu suchen hat. Am Anfang des Specials steht ein Beitrag der US-Professorinnen Gretchen Spreitzer und Christine Porath mit dem Titel „Die Mitarbeiter glücklich machen“. Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen und vieles dort wieder gefunden, was ich aus meiner Erfahrung heraus bestätigen kann. Aber was bringt es jetzt eigentlich, wenn ich meine Mitarbeiter glücklich mache?

            Gretchen Spreitzer ist Professorin an der renommierten Ross School of Business der University of Michigan und Christine Porath ist Assistant Professor an der McDonough School of Business der Georgetown University. Im bereits erwähnten Artikel werden einige Erfolgsfaktoren aus der Forschung der beiden Professorinnen (ist es Zufall, dass beides Frauen sind?) herausgearbeitet. Der Artikel beschreibt einige Erkenntnisse ihrer Forschungsarbeit, die sich alle Manager und Unternehmer gut merken sollten. Zudem werden Empfehlungen für die Gestaltung des Arbeitsumfelds im Unternehmen gemacht. Wichtig ist gleich an dieser Stelle die Anmerkung, dass alle Empfehlungen ineinander greifen und man sich nicht eine einzelne „herauspicken“ kann.

             

            Warum ist Glück im Job wichtig?

            Gleich die wichtigste Frage vorneweg: Warum sollte man glückliche Mitarbeiter wollen? Sind die nicht vielleicht sogar anspruchsvoller, wollen dauernd alles ganz genau wissen und rennen nur lächelnd durch die Gegend? Die sollen doch was arbeiten und werden nicht fürs glücklich sein bezahlt! Mal davon abgesehen, dass es vielleicht auch jedem besser gefällt, in einem Unternehmen mit glücklichen Mitarbeitern zu arbeiten – es bringt auch ökonomische Vorteile!

            „Langfristig leisten glückliche Mitarbeiter mehr als unglückliche. Sie erscheinen regelmäßig zur Arbeit, kündigen seltener, zeigen mehr Einsatz und ziehen Leute an, die genauso engagiert in ihrem Job sind. Sie sind keine Sprinter, sondern Marathonläufer, die konstant und langfristig gute Arbeit leisten.“

            Also, es bringt was, aber nur auf lange Sicht. Wer kurzfristige Erfolge erzielen will, für den lohnt es sich vielleicht nicht, in Glück zu investieren.

            Was bedeutet „Entfaltung“ für glückliche Mitarbeiter?

            Ein zentraler Begriff in dem Artikel ist das etwas holprige Wort „Entfaltung“. Eigentlich ein schöner Begriff, der ja sogar durch das Grundgesetz, Art. 2, jedem Bürger garantiert wird. Mit Entfaltung meinen denn auch die Autorinnen etwas anderes als Zufriedenheit (nach dem Motto „schon okay“). Übrigens wird im englischen Original des Artikels, den ich mir für ein besseres Verständnis dann auch noch durchgelesen habe, das Wort „Thriving“ verwendet. Da wird dann klar, dass es um „Wachsen und Gedeihen“, also auch sehr stark um (persönliche) Entwicklung geht. Also nicht um Bequemlichkeit oder Selbstgefälligkeit, sondern um die laufende Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Was kommt nun aber heraus, wenn Mitarbeiter Entfaltungsmöglichkeiten bekommen? Hier haben die Autorinnen herausgefunden, dass Mitarbeiter mit großen Entfaltungsmöglichkeiten

            • eine um 16% höhere Gesamtleistung erbringen,
            • um 125% seltener an Burnout leiden,
            • sich um 32% intensiver für das Unternehmen einsetzen und
            • um 46% zufriedener im Job sind.

             

            Was macht denn nun Entfaltung aus?

            Welche Faktoren sind denn nun für Entfaltung notwendig? Wie ist jemand in der Lage, sich zu entfalten? Dafür sind nach den Erkenntnissen der beiden Forscherinnen zwei Faktoren ausschlaggebend: Vitalität (Lebensfreude) und Lernen. Und zwar genau in dieser Kombination! Es funktioniert nämlich nur, wenn beides vorhanden ist. Das kann ich nur bestätigen. Lernen muss aus einem echten inneren Antrieb kommen, muss selbstgesteuert sein. Lernen um des Lernens willen oder sogar nur aus rationalem Antrieb wird auf Dauer nicht erfüllend sein. Und auch Vitalität ohne Lernen und Entwicklung ist gleichbedeutend mit dem Hamsterrad: Man rennt und rennt, kommt aber nicht von der Stelle!

             

            Und wie schafft man ein Umfeld, das Entfaltung fördert?

            Das ist nun die alles entscheidende Frage: Wenn denn stimmt, was die beiden Wissenschaftlerinnen herausgefunden haben, dann kann man ja eigentlich nicht anders, als alles daran zu setzen, Mitarbeitern ein „entfaltungsförderliches“ Umfeld zu bieten. Hierfür haben die Autorinnen vier Faktoren herausgearbeitet:

            1. Entscheidungsspielraum schaffen

            Hierbei geht es vor allem um das Gefühl von Kontrolle. Menschen, die die Dinge, die sie tun, im Griff haben, fühlen sich sicher und zufrieden. Dabei sollte es wahrscheinlich im Sinne der persönlichen Weiterentwicklung vielleicht ein klein wenig Überforderung sein, aber gerade so viel, dass man von sich aus die Herausforderungen bewältigen kann. Aber eben insbesondere mit Selbstvertrauen daran arbeiten kann.
            Das passt nach meiner Einschätzung ganz wunderbar zu einigen Konzepten aus der positiven Psychologie, z.B. das Konzept des Flow von Mihaly Csikszentmihalyi. Demnach ist Flow die völlige Vertiefung in eine Aufgabe, also so etwas wie „Tätigkeitlust“, das beim Tun einer Aufgabe entsteht, die gerade so fordernd ist, dass sie mit den eigenen Fähigkeiten und Erkenntnissen zu bewältigen. Flow entsteht also zwischen Überförderung (die am Ende zu Burn-Out führen kann) und Unterforderung (ja, auch so etwas wie „Bore-Out“ gibt es).
            Und auch der Begriff „Autonomy“ aus dem schönen Buch „Drive – The Surprising Truth About What Motivates Us“ von Dan Pink passt dazu. Nach Pinks Ansicht entsteht Motivation aus den drei Faktoren Autonomy, Purpose und Mastery (Auch Purpose und Mastery taucht gleich noch auf). Wer also selbstbestimmt handeln und entscheiden kann, der ist wesentlich motivierter als derjenige, der fremdbestimmt ist. Übrigens sollte man folgendes Video dazu nicht verpassen.

            2. Informationen teilen

            Im Mittelpunkt steht hierbei das Wissen über das „große Ganze“, also die Zusammenhänge der eigenen Ziele und Aufgaben mit den übergeordneten Interessen. Ganz wesentlich also mit der Vision des Unternehmens (Wo wollen wir hin?) ausgehend von der Mission (Wozu sind wird da?) und den Grundwerten (Was ist uns wichtig?). Entscheidend ist hier also die sinngebende Funktion und das hat dann auch ganz viel mit der Kommunikation der Information zu tun. Gut informiert zu sein ist eben nur das Eine. Das Andere ist aber, das Gefühl zu haben, gut informiert zu sein. Denn woher soll ich denn wissen, was ich weiß und was ich nicht weiß? Am Ende könnte man also fordern, sämtliche Daten aus dem Unternehmen allen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen und dann ganz oft darüber zu sprechen. Um dann in gemeinsamen Diskussionen die richtige (oder besser gesagt eine gemeinsame) Interpretation der Daten zu finden und daraus dann Entscheidungen abzuleiten. Naja, vielleicht nicht alle Informationen (schließlich gibt es auch Persönlichkeitsrechte), aber zumindest so viel wie nur irgend möglich! In dem Artikel werden übrigens ein paar schöne Anekdoten und Beispiele dazu erzählt.
            Und dann passt das prima zu Dan Pinks „Purpose“, also dem Sinn. Wer das Gefühl hat, an etwas Größerem mitzuwirken, an etwas, das über die eigenen Ziele hinausgeht und vielleicht auch die Welt ein bisschen besser macht, der ist einfach viel motivierter. Wie schon Antoine de Saint-Exupéry gesagt hat:

            „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer!“

            3. Höflich sein

            Als ich das gelesen habe, dachte ich zuerst: „Wie bitte?“. Was hat jetzt „Höflichkeit“ damit zu tun – das ist doch selbstverständlich! Aber beim genaueren Nachlesen (und auch bei der Lektüre des Originalartikels, wo der Punkt dann „Minimizing Incivility“ heißt) wurde dann klar, was hiermit gemeint ist. Es geht einfach um den anständigen und respektvollen Umgang miteinander. Jeder sollte sich so verhalten, wie er es auch vom Anderen erwartet. Also Werte wie Achtsamkeit, Rücksichtnahme, Feingefühl, eben die ganze Palette der sozialen und emotionalen Intelligenz. Schon Adolph Freiherr von Knigge hat in seinem Werk „Über den Umgang mit Menschen“ (übrigens weitaus mehr und eigentlich etwas ganz anderes als ein Benimmbuch) davon gesprochen:

            „Interessiere Dich für andre, wenn Du willst, daß auch andere sich für Dich interessieren sollen! Wer unteilnehmend, ohne den Sinn für Freundschaft, Wohlwollen und Liebe, nur in sich selber lebt, der bleibt verlassen, wenn er sich nach fremdem Beistande sehnt.“

            Nach meiner Einschätzung wirkt hier nichts so stark wie das gute Vorbild. Da wird ganz genau drauf geschaut, wie sich Unternehmensleitung und Führungskräfte benehmen, ob sie grüßen und freundlich sind. Und in welcher Art und Weise auch negatives Feedback vorgebracht wird. Das führt uns dann zum letzten der vier Punkte:

            4. Feedback geben

            Im englischen Originalartikel heißt das „Offering Performance Feedback“, da gefällt mir das „offering“ besser als das einfache „geben“ in der deutschen Übersetzung. Es geht also um das Angebot des Feedbacks, was letztendlich die beiderseitige Bereitschaft ausdrückt, Feedback zu geben und Feedback (hin) zu nehmen. Feedback sorgt für eine Klärung von Unsicherheit und es gibt wahrscheinlich nichts, was zu größerer Unsicherheit führt, als kein Leistungsfeedback zu erhalten. Woher soll ich denn wissen, wo ich noch lernen und mich entwickeln kann? Und Feedback muss dabei so schnell und unmittelbar erfolgen, wie nur irgendwie möglich. Wenn (insbesondere negatives) Feedback auf einer Liste gesammelt wird, um es dann im Rahmen des Mitarbeitergesprächs wie eine Kanonensalve auf den Mitarbeiter abzuschießen, dann hat das nichts mehr mit einer Feedback-Kultur zu tun. Feedback ist ein wesentliches Prinzip systemischer Ansätze, Feedback reguliert in Systemen das Verhalten – leider ist das im richtigen Leben viel komplexer als das typische Beispiel der Heizung mit Thermostat und Wasserkreislauf. Dennoch ist Feedback sicherlich eines der entscheidenden Steuerungsprinzipien in sozialen Systemen und (ergänzend) Vertrauen ein wichtiger „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ (Niklas Luhmann).

            Vier einfache, aber wirkungsvolle Grundprinzipien also für die Förderung von Entfaltung im Unternehmen, die am Ende Mitarbeiter glücklich und damit leistungsfähiger machen sollen. Natürlich ist es nicht so einfach, wie es sich anhört. Aber es lohnt sich nach meiner Einschätzung, nicht nur weil das Unternehmen erfolgreicher wird, sondern auch, weil man als Unternehmer und Führungskraft seine Lebensqualität auch entscheidend verbessern kann.

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